Samstag, 2. Juni 2012

Sieben Leben

Das gibt es schon als US-Film in typischer Hollywood-Manier und aktuell nun auch wieder als Medienthema: Ein toter Mensch kann sieben Leben retten. Vorausgesetzt, er hat sich noch zu Lebzeiten dazu entschlossen, seine Organe der Nachwelt zu hinterlassen.
Ich gebe ehrlich zu: Ich zähle zu den Menschen, die mit dem Thema Tod nicht wirklich vertraut sind, die gerne einen riesengroßen Bogen darum schlagen und auch gar nicht erst darüber nachdenken wollen, was passiert, wenn ein geliebter Mensch stirbt.
Ebenso bin ich ein Mensch, der offenbar zuviele Filme geguckt hat, in denen ein Totgeglaubter wieder erwacht - und sich im Sarg wiederfindet. Was, wenn mir sowas auch passiert? Was, wenn ich aufwache und feststelle: Ey, die haben mich einfach eingebuddelt?
Ob ich also testamentarisch verfüge, dass man mir in den Sarg eine Taschenlampe, eine Säge und was zu essen mit reinlegte? Und vielleicht noch ne Sauerstoffflasche nur für den Fall, dass die Selbstbefreiung etwas länger dauert? Oder besser doch ein Handy mit einem hundert-Tage-Standby, damit ich simsen kann: "Leute, ich bin wieder da, holt mich hier raus, aber dalli!"??
Jedenfalls muss ich sagen, dass ich die aktuelle Diskussion um die Organspende mit doch sehr gemischten Gefühlen verfolge. Sieben Leben... sind sieben Leben. Glücklicherweise war ich selbst noch niemals in einer solchen Situation und kenne auch niemanden in meinem Umfeld, den das betrifft. Wobei ich persönlich vielleicht für diesen Ausweis nicht mal in Frage komme. Weil, bei all dem, das man in den letzten Jahren aufgrund meiner Schmerzerkrankung mit mir anstellte und mir verabreichte, gehörte ich nach meinem Ableben vermutlich eher auf den Sondermüll statt auf den Seziertisch.
Morbides Thema, ich weiß. Aber irgendwie... drum rum kommt man ja irgendwie doch nicht, sich damit auszeinanderzusetzen, oder?
Und was mich bei diesem Thema am allermeisten beschäftigt, bleibt die vermutlich immer offen stehende Frage: "Wenn ich an einen kritischen Punkt gelange, werden die Ärzte dann wirklich alles tun und geben, um mich zu retten, weil ich noch zu retten bin - oder geben sie auf, weil nebenan ein Kind liegt, ein junger Mensch oder einfach auch die Nichte vom Chefarzt, die entweder genug Geld für meine Niere oder mein Herz zahlen würden oder der Arzt dem Patienten persönlich viel näher steht als mir?"

Ist es eher realistisch oder abstrus zu glauben, nach einem Unfall würde man sich die Hände reiben und über die Lippen lecken, sobald man den kleinen gelben Ausweis in meiner Tasche fände?
Was zählt der Eid des Hippokrates?
Wann zählt er?
Und bei wem?
Wie oft schon glaubten die Ärzte: Ihm oder ihr ist nicht mehr zu helfen, das Hirn ist Mus - und dann war doch alles ganz anders?
OK, das mögen Ausnahmesituationen sein - aber sind sie das auch wirklich?
Ist so ein Arzt nicht auch nur ein Mensch wie du und ich, der sich irren kann, eben weil jeder Mensch sein eigenes Individuum ist und somit auch jeder Patient auf seine eigene Weise reagiert?
Ich weiß das alles nicht so recht... Irgendwie will mich die Befürchtung nicht loslassen, dass es auch mit der Organspende nicht anders ist wie mit allen anderen auch: Nur ein Bruchteil der Spende kommt wirklich da an, wo er auch tatsächlich hin sollte... Und will ich für diesen Bruchteil wirklich früher als nötig ins Gras beißen? Ich meine, schließlich habe ja auch ich ein Leben...
Oder könnte ich damit leben, dass man eins meiner Kinder... Nein, das kann ich einfach nicht zuende denken. Alles in mir wehrt sich dagegen. Zuviel Gefühl und zu wenig Verstand bei diesem Thema?
Ich weiß nicht, wie Ihr das seht, aber ich... kann diese Frage einfach nicht beantworten. Ich weiß nicht, was ich wünschte, wenn es soweit wäre. Aber ich kann mich wohl auch glücklich schätzen, dass ich bislang nicht in so einer Situation war. Bislang..

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