Samstag, 12. September 2009

Sie Haben Post

...dachte ich mir so, als ich heute meinen Briefkasten öffnete und mir so einige Briefe entgegen fielen, von denen sich die meisten als Werbung, wenige als Rechnung und einer als Brief von der Klinik entpuppte, die sich freute, mir mitteilen zu dürfen, dass ich ab dem 9. Dezember gerne zu ihnen kommen dürfte.
Noch auf der Treppe hinauf zur Wohnung las ich die Zeilen, überflog den Info-Teil.
Wieder kein Weihnachten zu Hause, war mein erster Gedanke.
Hatte ich doch bereits das letzte Weihnachten in einer Klinik verbringen dürfen. Und nun also wieder.
Damit wären zwar die paar freien Tage, die ich mir im goldenen Oktober noch gönnen wollte, gerettet, aber eben... kein Weihnachten daheim. Kein Oriatorum in der Kirche, auf das selbst ich als Heide mich sehr gefreut hatte. Was ist nun richtig und was ist nun wichtig?
Hatte ich mich noch vor einigen Tagen mit der Rentenversicherungsanstalt herumgestritten, weil ich eben nicht wieder stationär, sondern nur ambulant behandelt werden wollte ("...hier gehts nicht danach, was Sie wollen, sondern was die Ärzte entscheiden. Und die sehen Ihre Arbeitsfähigkeit erheblich gefährdet, darum wurde das so entschieden", wurde ich unfreundlich angefahren. So als sei ich eine jener Kandidaten, die sich auf Staats- bzw. Steuerzahlerkosten ein beschauliches Leben ermöglichen wollten. Immerhin... bin ich für die ja auch nur eine Nummer auf einem Blatt Papier, dachte ich mir so, biss mir auf die Zunge, zählte bis drei, bevor ich antwortete.), so ging mir nunmehr durch den Kopf, ob dies nicht vielleicht doch die bessere Variante sei. Ich hätte somit Zeit, meine ersten zehn Sitzungen Akupunktur zu beenden, meine ambulante Schmerztherapie weitgehend abzuschließen und die Frau Mama müsste dann nicht vier geschlagene Wochen in meinen vier Wänden, sondern nur rund zwei Wochen hier zubringen, bis die Weihnachtsferien begännen.
Eigentlich... doch keine schlechte Lösung, oder?
Eigentlich... doch die beste Lösung für Ziggenheimers Schmerzproblem, oder?
Ich meine, die Umgebung dort soll ziemlich trist und öde sein, die Jahreszeit würde sicherlich auch ihr übriges dazutun. Doch hatte ich mir ohnehin vorgenommen, dieses Mal mit dem Auto anzureisen. So könnte ich wenigstens, wann immer der Therapieplan es zuließ, die nächstgelegene Stadt aufsuchen und mir bei aller Trostlosigkeit wenigstens einen lecker Milchkaffee zu Gemüte führen.
Ob die sowas in der Pampa überhaupt kennen?
Ich meine... Hier in der Großstadt ist mir das schon passiert, dass ich mich genüßlich in einem chinesischen Lokal niedergelassen und einen Milchkaffee geordert hatte.
"Haben Sie auch Milchkaffee im Angebot?"
"Ja natürlich, Milchkaffee gibt es hier auch."
Als jener kam, staunte ich nicht schlecht: Eine Tasse, kaum größer wie eine Mokkatasse, daneben, hübsch übereinander gestapelt, zwei Näpfchen Kaffeesahne.
"Was ist das?" entschlüpfte mir auch prompt die Frage gegebenüber dem Ober, der freundlich nickte und knickste: "Ihr Milchkaffee! Kaffee mit viel Milch!"
Ich weiß, jeder andere hätte an dieser Stelle dieses Gebräu umgehend zurückgehen lassen, ich aber war so überrascht und überrumpelt, dass ich nur lachen konnte und sprach: "OK, dann probier ich mal Ihren Milchkaffee!"
Und werden Thüringer Urgesteine nicht gern auch als Hinterwäldler bezeichnet?
Vermutlich wird es jetzt, wenn das hier auch nur ein Thüringer liest, einen gekränkten Aufschrei geben und ich tue allen unrecht. Dann... lass ich mich doch gern mal vom Gegenteil überzeugen und versuche meinen Optimismus aufrechtzuerhalten, dass es diesmal eine gute, adäquate Klinik ist. Ich mein, ein Einzelzimmer bekomme ich diesmal. Teure Fernsehgebühren bleiben mir hier im Osten erspart - die haben erst gar kein TV-Gerät reingestellt ;-) Fragt sich dann also, was ich an den langen dunklen Abenden machen soll.
Stricken vielleicht - obwohl ich für sowas noch nie Geduld und Ausdauer entwickeln konnte.
Zeichnen vielleicht - aber das werde ich vermutlich sowieso wieder offiziell müssen, damit die Herren und Frauen Doktoren daran ablesen können, wie es in mir wirklich aussieht und ich mir jegliche Show (klappt normalerweise auch ganz ohne Schauspielschule) ersparen kann.
Lesen vielleicht - es fällt mir noch heute, drei Jahre nach jenem unseligen Verkehrsunfall schwer, mich auf ein Buch zu konzentrieren (selbst die Zeilen hier schreibe ich oft nicht in einem Zug; das liebe ich eben auch am Chatten: Es ist wie Telefonieren, aber du musst dich nicht jede Sekunde hundertprozentig konzentrieren, du kannst nebenbei fernsehen oder auch mal im Bad verschwinden, du kannst im Grunde tausend Dinge nebenbei tun - und wenn dir der Zusammenhang fehlt, scrollst du einfach mal paar Zeilen hoch ;-) Beim Telefonieren geht das schlecht, da merkt der andere sofort, wenn du nicht bei der Sache bist, und ist am Ende noch beleidigt, weil du dich offenbar nicht für ihn interessierst.)
Aber dann denke ich wieder daran, wie schnell die Zeit letztlich doch vorüber ging, schon angesichts der mit Therapien vollgepackten Tage. Dann noch bisschen Weihnachtsshoppen zwischendurch, ich könnte ja auch DVDs auf meinem Laptop gucken (na eben, genau, ich kann ja jetzt schon mal bisschen herumfragen, wo ich mir überall ein paar gute Filme ausleihen kann ;-))
Und... überhaupt... na eben... Wenn ich dieses Mal mit dem Auto dorthin fahre, dann bin ich ja auch an den Wochenenden wesentlich mobiler, flexibler und kann endlich mal die Städtetouren machen, die ich ohnehin immer schon mal vorhatte: Erfurt zum Beispiel (soll eine sehr schöne Altstadt haben) - na da muss ich doch gleich mal auf die Karte schauen, was da alles so im Umkreis liegt ;-)
Vermutlich... wird das alles eher zu dem Urlaub ausarten, den sich nunmehr auch mein geschiedener Mann gönnen will.
"Wieso willst du eine Kur beantragen? Was fehlt dir denn?"
"Nüscht", war die lakonische Antwort, "aber das steht mir zu, wieso soll ich das dann nicht machen?"
Das war auf dem gemeinsamen Weg zur Schule unseres Sohnes, die Fahrt dauerte ca. eine halbe Stunde und innerhalb dieser dreißig Minuten wurde mir einmal mehr bewusst, wie vollkommen verschieden wir waren, wie sehr ich mich in genau jenen Minuten nach meinem Zuhause sehnte, nach dem liebevollen und vor allem respektvollen Umgang, den wir dort genossen - und wie wenig ich heute verstehen konnte, wie das so lange mit ihm und mir hatte gutgehen können.
An dieser Stelle halte ich es mit Silbermond, die da sangen "...ich bereue nichts, nicht einen Tag, nicht einen Augenblick..." - man erfährt, man lernt - und man nimmt mit für die Gegenwart, damit die Zukunft eine andere wird... Nichts ist umsonst passiert, nichts ist umsonst geschehen, davon bin ich sowieso grundsätzlich überzeugt und bei allem, was mir noch zu meinem Glück fehlen möge: Es gibt so unendlich vieles in meinem Leben, das mir heut Spaß macht und Glücksgefühle schenkt - und DAS, liebe Leute, ist unbezahlbar.

So, und jetzt schenke ich mir noch ein Glas Weinschorle ein - hatte ich lange nicht ;-)

1 Kommentar:

Pfalzmaedel hat gesagt…

Liebe Frau Ziggenheimer,

neue Klinik........... neues Glück
alles wird gut....

mit dem Auto zu fahren ist immer gut und der " wilde Osten " hat doch einiges zu bieten.

ja, ich möchte auch keine Erfahrung im Leben missen ( auch wenn wir manchmal denken...darauf hätten wir jetzt verzichten können...)aus diesem Grunde möchte ich auch keinen Tag jünger sein...
und das sagt eine Frau....lach...in diesem Sinne.. schönen Sonntag Abend.