Samstag, 4. Oktober 2008

I've Been Searching My Soul Tonight...


...mit genau diesem Song startet genau jetzt die Serie "Ally McBeal", die ich vor einigen Jahren zu schauen begann, die ich zu lieben begann (aus verschiedenen Gründen), deren Soundtrack ich (aus eben denselben Gründen) zu lieben begann - und jetzt, genau jetzt, wo der Abend bereits begonnen hat, ich einige Kerzen angezündet hatte, in meiner kleinen Wohnung noch der Geruch frischer Muffins liegt, die meine Kinder und ich heut Nachmittag gebacken haben, dann erklingt diese Musik und führt mich augenblicklich in eine Zeit zurück, von der ich all das Negative von mir weggeschoben hab und nur noch die wunderbaren, die innigen und schönen Momente in Erinnerung sind.

Ein wenig muss ich grad schmunzeln, weil ich daran denke, einmal gelesen zu haben, dass Menschen genau das im Allgemeinen tun und dadurch auch ihre Vergangenheit zu verklären beginnen. Dass sie sich z. B. die negativen Seiten ihres Ex-Partners wegdenken und nur noch das Positive sehen. Und somit dazu neigen, sich wieder auf etwas einzulassen, das schon einmal nicht funktioniert hatte.

Nun, bei mir sehe ich diese Gefahr nicht. Gerade wenn man Kinder miteinander hat, bleibt man auch nach einer Trennung in Verbindung. Ob man nun will oder nicht. Und mein Ex-Mann schafft es in dieser Verbindung bis auf den heutigen Tag, immer wieder Seiten zu zeigen, die mich daran erinnern, warum ich eines Tages aufgehört hatte, noch so etwas wie Liebe für ihn zu empfinden.

Letzte Nacht träumte ich, dass der Mensch, der mich heute auf meinem Weg begleitet, Ringe kaufte, ganz heimlich. Und in meinem Kopf ist immer noch das Bild aus diesem Traum, mit welchen Glücksgefühlen ich diesen schmalen, schlichten und so wunderschönen Ring an meiner Hand betrachtete. Sind unsere Träume nun das, was wir uns eigentlich wünschen? Also als ich mich vor über fünf Jahren von meinem Mann trennte, empfand ich vor allem eine unglaubliche Erleichterung, dass jener Weg zuende war. Und bis heute habe ich mir ein Leben aufgebaut, in dem ich mich beinah rundum wohl fühle. Nachts in der Badewanne liegen und Musik hören. Einen ganzen Tag im Bett verbringen, frühstücken, Zeitung lesen, eine DVD nach der anderen schauen. Selbstverständlich nur, wenn die Kinder bei ihrem Papa sind ;-) Aber versteht Ihr, was ich meine? Einfach nur man selbst sein zu können. Sich selbst genießen zu können. Zeit nur für sich selbst haben zu können. Was ist so falsch daran? Und warum war das in der Ehe nicht möglich?

"Die Freiheit ist eine Treppe mit tausend Stufen, kein Fahrstuhl."

Diesen Satz habe ich vor einigen Jahren in einer Tageszeitung gelesen, mir ausgeschnitten und an die Wand gepinnt. Bis heute begleitet mich dieser Satz, weil er genau das besagt, was ich seit der Trennung erlebe. Es ist gar nicht so, dass man sich trennt, aus Zwängen befreit und wirklich FREI ist. Es ist gar nicht so, dass man sich trennt, um frei zu sein. Es ist - zumindest gilt das für mich - dass man sich trennt, um endlich wieder atmen zu können. Jeden einzelnen Schluck aus dem Glas des Lebens zu genießen. Wir haben doch nur dieses eine wunderbare Leben oder glaubt hier wirklich jemand daran, eines Tages wiederkommen zu können? Da fällt mir ein Gespräch mit meinem Kleinen ein, der mir im zarten Alter von 8 Jahren mitteilte, er habe sich darüber schon viele Gedanken gemacht. Und für ihn sei klar: Als Blume wolle er nicht wiederkommen, weil, da könne er ja nichts sehen, Blumen hätten doch keine Augen. Als ein Hase aber wolle er auch nicht wiederkommen, weil ihm da der Jäger auf den Fersen sei :-)

Seitdem ist so irrsinnig viel Zeit vergangen, seitdem ist so irrsinnig viel passiert. Um mich herum, aber auch in mir. Und jetzt lieg ich hier auf meinem Bett, zwischen vielen Kissen, mein Laptop auf den Beinen, ich schaue nebenbei Ally McBeal und fühle mich in eine Zeit zurückversetzt, für die ich noch heute sehr, sehr dankbar bin. Aber auch ebenso froh, dass sie vorbei ist. Natürlich ist auch heute noch nicht alles so, wie ich es mir vielleicht wünschte oder wovon ich vielleicht träume. Aber ist das... eigentlich der Punkt? Ist nicht gerade das Wunderbare, das Interessante an unserem Leben, dass wir überhaupt einen Weg finden, der unser Weg ist? Auf dem wir uns selbst auf die Spur kommen? Herausfinden, wer wir wirklich sind und wovon wir wirklich träumen? Dass wir wissen: Das hier bin wirklich ICH und nicht das, was ein anderer Mensch in mir sieht bzw. sehen möchte? Dass wir wissen: Das, was ich mir hier erfülle, sind MEINE Träume, und nicht die Träume eines anderen Menschen? Doch bei all dem... ging es mir niemals immer nur darum, Dinge tun und lassen zu können, die ich wollte, ohne mich dafür erklären oder gar entschuldigen zu müssen. Ich brauche es nicht, dieses Single-Leben, bei dem man, abgesehen von dem einen oder anderen "Weggefährten", in der Regel allein morgens erwacht oder abends einschläft. Und das nur dafür, dass man eben tun kann, was man will? Auch ich wünsche mir so wie die meisten Menschen ein erfülltes, zärtliches Miteinander - nur nicht mehr um jeden Preis. Und diese Träume wie der der letzten Nacht... Zeigt er mir, wie groß der Wunsch nach bedingungsloser Liebe und Geborgenheit ist? Zeigt er mir, wie sehr mir das eigentlich fehlt? Eine richtige Familie zu sein? Heimzukommen und einen gemeinsamen Namen an der Tür zu haben? Sich sagen zu können: Er ist der Mann meines Lebens - ich bin die Frau seines Lebens?

Und diese Ally... Meiner Meinung nach verkörpert sie uns Frauen, auf ihrer Suche nach der wirklichen Liebe, nach ihrem Platz im Leben, nach dem, was sich gut und richtig anfühlt. Also lehne ich mich zurück, genieße die guten Erinnerungen, genieße den Film und die Musik (Vonda Shepard singt übrigens live noch besser wie im Film!!), genieße es, heute, jetzt und hier an genau diesem Punkt in meinem Leben zu stehen. Genieße es, ich zu sein und genieße es, jeden neuen Tag zu begrüßen, die Vorhänge zur Seite zu schieben, der Sonne oder auch einer Regenwolke entgegenzublinzeln und ihn zu fragen: "Hey Tag, was hältst du heute für mich bereit?"

Meist tut es weh, aufzustehen, meist tut es weh, mich hinzulegen. Meist tut alles weh, was ich tu. Aber ich habe noch lange nicht die Hoffnung aufgegeben, dass der Schmerz in meinem Körper eines Tages besiegt ist. Oder... oder wenigstens auf ein erträgliches Maß reduziert. Doch wie auch immer: Nichts ist vergleichbar mit diesem Lebensgefühl in mir. Dieses Ja zum Leben, dieses Ja zum Lieben. Diese Gier nach dem Leben.

Im Moment fahre ich voll auf Weißwein oder Weißweinschorle ab. Und wisst Ihr was? Genau so eine Flasche mache ich mir jetzt auf und stoße mit einem Glas auf dieses Leben an. Prost.

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