Dienstag, 6. November 2012

Der schmale Grat

Da bin ich wieder.
Vielleicht war ich auch gar nicht lange weg und es kommt mir nur so vor als ob.
Viele von denen, die ich kenne - einschließlich Friederike, was sie mir Samstag beim Fischtöpfchenessen bestätigte - glauben ja oftmals: "Wenn ich von dir nichts höre, gehts dir gut."
Hmm.
Nee.
Bei mir ist das genau andersrum.
Wenn ich mich nicht melde, gehts mir überhaupt nicht gut, und wenn ich mich dann immer noch nicht melde, gehts mir richtig besch**.

Friederike meinte zu mir: "Du bist nicht die, die du zu sein scheinst" und ich erinnerte mich einmal mehr an die Zeilen irgendeines Menschen vor Jahren, der mir schrieb: "...Irgendwie kommt es mir vor, als ob du gar nicht du selber bist. Auch wenn du glaubst, dass du du selbst wärst. Irgendwann hast du dir eine zweite Haut übergezogen, warum auch immer, und dir diese so zu eigen gemacht, dass du heute glaubtest, sie sei deine eigene."
Das war vor... lasst mich nachrechnen... acht Jahren. Damals wusste ich nicht wirklich etwas damit anzufangen und ich dachte: "Wie meinen? Wenn ich lache, lach ich. Wenn ich heule, heul ich. Wenn ich wütend bin, stürme und tose ich."
Hmm. Ja. Aber genau lag der Hase wohl im Ziggenheimerschen Pfeffer.
Ich habe gelacht, obwohl mir zum Heulen war.
Ich habe agiert, obwohl ich müde war.
Und so weiter. Und so weiter.

Nur - warum tut man das alles so und nicht anders? Warum tat ICH das alles? Kann man das so verallgemeinern, indem man sagt: Jeder, der an sich zweifelt, lebt mit einem mangelnden (oder nicht vorhandenen) Selbstwertgefühl, zu wenig Selbstliebe und das aus diesen oder jenen Gründen?
Dass man als Kind schon dem Vater oder der Mutter oder beiden nicht genügt hat? Dass man ignoriert oder abgewertet wurde? Dass man nicht ernst genommen wurde? Dass man geschlagen, misshandelt, missbraucht, erniedrigt wurde? Dass - egal was man tat - es nie genügt hat?
Ich erinnere mich an die Worte einer Pädagogin, die mal sagte: "Wenn ein Kind Aufmerksamkeit will, wird es meist mit negativen Aktionen versuchen aufzufallen. Weil der Mensch dazu neigt, das Positive abzutun und zu sagen: OK fein. Und das wars. Während wir über das Negative reden, uns erbosen, uns mit anderen Menschen darüber unterhalten und das Kind somit wenigstens in dieser Hinsicht seine Aufmerksamkeit bekommt."
Tat oder tut man also das, von dem man glaubt, dass es den Ansprüchen bzw. Erwartungen anderer genügt und diese damit einen für liebenswert halten? Diese ewige Suche nach Liebe, Zuwendung, Aufmerksamkeit - kann man sie also nur so stillen, indem man der Allgemeinheit, den Eltern, dem Partner entspricht, nur damit der einen liebt?
Und wenn wir sie dann erleben, die unabdingbare Liebe, großartige Gefühle, dann rennen wir weg oder zerschlagen dieses kostbare Gut, wieder und wieder, weil wir nicht wahrhaben wollen, dass wirklich wir gemeint sind, dass wirklich wir es sein sollen, die liebenswert sein sollen?
"Muss ich also erst mich selbst lieben können, bevor ich einen anderen Menschen lieben kann?" fragte Friederike und stumm antwortete ich: "Ja, das musst du, unbedingt."
"Und was ist, wenn der Mensch, den ich liebe, nicht mehr da ist?" fragte sie - und es erschien mir als rhetorische Frage.
Folglich antwortete ich ebenso stumm: "Wer dich wirklich liebt, der geht nicht weg, jedenfalls nicht für immer."

"Für mich standst du immer auf einem Podest", sprach sie, "und je mehr du mir von dir gezeigt hast, umso weniger stehst du für mich auf diesem Podest. Aber umso glaubhafter wirst du für mich."
Ich wollte da auch nie rauf ;) Ich bin ich. Nicht mehr - aber auch nicht weniger.
Ich hab vieles schon gelernt - aber ich habe auch verstanden: Das Leben ist und bleibt ein ewiger Lernprozess. Und wie oft glaubte ich, ich sei schon so weit gekommen, nur um dann und wann festzustellen, wie schmal der Grat ist, von dem ich wieder herunterfallen kann. Was ich im Übrigen nicht für schlimm halte - solange ich nicht eines Tages einfach nur liegenbleibe.
Schlimm finde ich übrigens, wenn Menschen, an denen Dein Herz hängt, Dir eines Tages nicht mehr zuhören wollen. Weil sie Dich zu anstrengend finden. Oder zu wenig lustig.
Pah. Wer nur die Sonnenseiten meiner Medaille heischen will, der kann mir getrost vom Acker bleiben. Zu mir gehört noch eine Menge mehr als diese. Und wer das nicht mittragen kann - der bleibe mir fern. Zumindest das habe ich inzwischen nicht nur begriffen, sondern auch gelernt zu leben.

Übrigens lese ich derzeit in einem Buch (leider bin ich im Büro, ich schreibe, während die anderen zu Mittag essen - drum kann ich jetzt nicht nachschauen, wie es heißt) und darin steht so einiges über Mars & Venus.
Gerade wir Menschen mit unseren Selbstzweifeln bis hin zur Selbstzerfleischung neigen ja gerne auch dazu, Hoffnungen oder gar Erwartungen aufzubauen. Insbesondere an Menschen, die wir lieben. Wir wünschen uns Streicheleinheiten - er will Sex.
Wir wünschen uns Dialoge - er liest grad Zeitung.
Wir wünschen uns Zuhören - er gibt uns ungewollte Ratschläge.
Wir wünschen uns eine Umarmung - er schenkt uns Blumen....
Und wenn wir nicht bekommen, was wir gerade wünschen, glauben wir, sofort wieder unsere Bestätigung zu haben: "Er/ Sie liebt mich nicht!"




Heute las ich übrigens einen sehr feinsinnigen Beitrag zum Thema Beziehung (woher übrigens auch das begnadete Foto - wie ich finde :) stammt). Neben diesem überaus bezeichnenden Foto mochte ich spontan diesen Absatz:

"[...] Liz Lemon hat einst festgestellt, sie hätte bei einer neuen Beziehung gerne sofort den Zustand, bei dem man eigentlich erst nach ungefähr zwölf Jahren als Paar ankomme, und ich denke, dieser glückselige Status ist in der Tat erreicht, wenn man von seiner besseren Hälfte Sätze hört wie: «You know, ich liebe dich, aber manchmal macht es mich wahnsinnig, dass du … da bist.» oder «Im Grunde ist es noch gar keine richtige Ehe, wenn nicht ein Teil von dir einfach nur weglaufen will!» oder «These decisions all go through you, Kleines, cause you’re the mayor of Crazytown.»
Quelle: http://blog.tagesanzeiger.ch/blogmag/index.php/3303/erfolgsformel-der-liebe/

Meine Schlussfolgerung in dieser heutigen Mittagspause (Himmelherrgott, ich habe 6,3 Minuten überzogen!) - nein - nicht nur heute und jetzt und hier - müsste also lauten: "Wir Menschen mit unserem Mangel an Selbstvertrauen, an Selbstwert, an Liebe zu uns müssen wohl vor allem auch eines lernen: Dass nicht alles, das schiefgeht oder den anderen aufregt oder eben auch nicht so ist wie wir es vielleicht gerade brauchten - hat auch mit uns persönlich zu tun oder liegt in uns persönlich begründet. Wir müssen nur aufpassen, dass das Gleichgewicht stimmt."
Wenn das alles mal nur in der Praxis nicht oftmals so schwierig würde.
Also balanciere ich weiter.
Aber ich hab doch festgestellt: Mein Schritt ist fester und sicherer geworden. Und wenn ich mich so angucke: Doch, ich mag mich. Inzwischen.

2 Kommentare:

Mami hat gesagt…

Kennst du Robert Betz ;)... er sagt: Wer sich selbst nicht wertschätzt und liebt, sondern sich verurteilt, erzeugt Kleinheit, Minderwertigkeit, Schuld und Scham. So steht dann auf deiner Stirn: „Ich habe die Fülle des Lebens nicht verdient“ und du erzeugst Mangelzustände im Materiellen und in den anderen Bereichen deines Lebens.

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Nein - den kannte ich noch nicht, aber ich kann sagen: Er hat recht...
Über Mangelzustände könnte ich also vermutlich ein ganzes Buch füllen - aber ich könnte diesem ebenso auch bereits einen Nachtrag hinterherschreiben.
Heute glaube ich daran, wenn jemand sagt: "Hab Mut, hab Vertrauen, es wird alles gut - zur rechten Zeit."
Solange man glaubt, vertraut, hofft - bzw. all das (er)lernt und sich selbst "bewegt".
Ich bin wirklich froh und dankbar für all das, was mir insbesondere in den letzten 2 - 2,5 Jahren passiert ist. Und heute denke ich eben auch: "Der Schlüssel dazu liegt nicht nur allein in dem/ den anderen. Er liegt vor allem auch in mir."