Donnerstag, 16. Dezember 2010

Aufsichtspflichten

Heute Abend, beim Tasche packen für Posemuggel, da fanden sich nicht nur Personalausweis (eigentlich wurscht, ist ja eh ungültig, und jetzt, wo ich das auch weiß, habe ich das Gefühl, dass ich jeden Tag damit ertappt werde) und Handykabel wieder an (von den erwarteten mindestens zehn sehnsüchtigen sms hatte es gerade mal eine zu mir geschafft ;-)) - rein zufällig begegnete mir auch die Webcam, die schon seit Wochen wie vom Erdboden verschluckt war, so dass ich beinah vermutet hatte, sie sei ausgewandert, da erreichte mich folgender Anruf:
"Sag mal deinem Sohn: Ab jetzt wird Komasaufen teuer!"
Was ich zunächst für einen Scherz hielt, entpuppte sich schneller als gedacht als harte Realität - wie ich alsdann unter eltern.t-online.de nachlesen konnte.
Die CDU nämlich plant, die Eltern an den damit entstehenden Behandlungskosten zu beteiligen - und wenn ich an die vor noch nicht so langer Zeit durchstandenen Erlebnisse denke, dürften diese nicht gering ausfallen.
Begründet wird diese Maßnahme mit der mangelnden Aufsichtspflicht der Eltern. Wo sie da und dort sicher auch nicht unrecht haben. Aber... Reicht "da und dort" tatsächlich aus?
Mal ehrlich: Wer wird am Ende wirklich damit bestraft?
Ich weiß nun nicht, wie hoch der Prozentsatz derjenigen Komasäufer ist, deren Eltern sich in der Tat nicht kümmern wollen, egal, ob sie nun vor Geld stinken oder Hartz IV beziehen. Jedenfalls der Anteil derer, die Hartz IV beziehen, bezahlens sowieso nicht - wovon auch. Und die stinkreichen haben Anwälte, die sie da wieder herausboxen. Bleibt also - wie so oft - die Mittelschicht, wie ich, die jeden Tag brav in die Arbeit trotten und für das Einkommen und damit für das Auskommen sorgen, die in der kärglich verbleibenden Freizeit zwischen den Terminen hin- und herspringen, einkaufen, den Haushalt schmeißen, die Kinder versorgen, blutige Knie verarzten, Geschichten über böse Lehrer und hübsche Mädchen lauschen, Hausaufgaben kontrollieren oder Englisch-Vokabeln abfragen, während sie kochen, bügeln, waschen - und dann in Ohnmacht fallen, wenn die Schuldirektorin anruft: "Wir müssen Sie informieren, dass Ihr Sohn soeben vom Notarztwagen in die Klinik gebracht wurde, wir vermuten Alkohol."
Ja. Dazu fällt dir nix mehr ein. Da bist du einfach nur noch fassungslos und stumm und denkst, du bist im falschen Film. Das ist immer anderen passiert und außerdem hättest du deinen Arsch darauf verwettet (und bei mir ist das ein beachtlicher Wetteinsatz! :-)), dass du dein Kind kennst, seine Freunde kennst und dass du glaubst, dass dein Kind dir immer noch alles erzählt, so wie es vielleicht noch vor einem Jahr war.
Nur schwupps... Kaum hast du dich umgeschaut, ist aus dem noch eben anschmiegsamen, liebebedürftigen Blondschopf ein langhaariger, lässiger Obermeier geworden, der in Boxershorts, aber nicht ohne Cap an den Frühstückstisch kommt, der den Begrüßungskuss lieber lässig gegen das Victory-Zeichen eintauscht und für den Verpflichtungen wie "Müll runterbringen" oder "abtrocknen" zur verbotenen Kinderarbeit gehören. Und während du Freude & Kummer der ersten Liebe mit ihm teilst, stellst du dennoch eines Tages fest, dass er dir zwar immer noch viel erzählt, das Wichtigste aber gern verschweigt.
Bis eben zum Tag X, wo du in der Schule antreten darfst und wo die Oberhäupter der Schule und auch Vertreter der Polizei schon auf dich warten und du fassungslos und stumm mit anhören musst, dass dein Kind... eben auch andere Seiten hat, von denen du dich die ganze Zeit fragst: "Reden die jetzt wirklich von meinem?", während sie dich fragen, was für Alkohol du zu Hause stehen hast und ob er vielleicht auch schon mal irgendwelche Pillen ausprobiert hätte.
Jedenfalls hätte meine Weinschorle wohl kaum verursacht, was ein halber Liter Absinth anzustellen vermochte; ein Gesöff, von dem ich selber erst mal googeln musste, was genau das eigentlich ist.
Solche wie ich... sind dann diejenigen, die es - auf deutsch gesagt - am Arsch packt, wenn die saftige Rechnung aus der Klinik kommt; die sie zahlen müssen, weil sie überm Hartz IV-Satz liegen, die aber zu wenig haben, um nen erfolgreichen Anwalt zu beschäftigen. Oder würde ich verschont, weil der Junge dumm genug war, mitzumachen, aber wenigstens schlau genug, das nicht zu wiederholen?

Lieber Herr Jens Spahn - ich bin mir nicht sicher, ob Ihr Konzept da wirklich durchdacht ist. Schlafen Sie doch noch mal drüber! Gute Nacht!

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