Mittwoch, 2. September 2009

Eey Schwörr' Isch Auf Yamamoto!

...So heißt die Form der Akupunktur, die ich heute zum ersten Mal leibhaftig kennen lernen durfte.
Also so ein ganz kleines bisschen Schiss hatte ich ja schon - nach meiner ersten Akupunktur-Erfahrung im Februar letzten Jahres. Ich erinnere mich da noch an ein Zittern im ganzen Körper, gleich einem Schüttelfrost, an ein Stottern gleich einem Sprachfehler - und an die amüsierte Aussage eines Freundes: "Na sag mal, welchen Meridian haben die denn getroffen?"
Ehrlich gesagt, nach Lachen war mir damals nicht zumute, eher nach Heulen - aber das ging irgendwie auch nicht. So als wäre der ganze Körper verkrampft.
Entsprechend eingestellt, suchte ich heut erneut die Neurologie-Praxis auf, inzwischen überwog aber doch die Spannung: Wie wird es? Natürlich gut, aber trotzdem: wie gut?
Wie es in jeder Arztpraxis so ist: Trotz Termin heißt es erst mal warten. Warten. Und warten.
Bis zuletzt nur noch ein Mädel und ich das Wartezimmer teilten und eine der beiden Ärztinnen überrascht zu uns schaute: "Frau Ziggenheimer, Sie wollen doch zu mir, oder?"
"Nein", war ich die schmerzgequälte Liebenswürdigkeit in Person (das Sitzen auf harten Stühlen ist einfach mein Tod), "heute will ich zu Ihrer Kollegin."
"Ach ja", lächelte sie fröhlich, "die Akupunktur! Und Sie?" wandte sie sich an das Mädel.
"Mir ist egal, zu wem ich komme. Ich war halb zwölf bestellt und jetzt ist es dreizehn Uhr", ließ sich ein leises, aber nicht überhörbares Grummeln vernehmen.
"Wie ist denn Ihr Name? ... Ach so? Komisch, bei mir im Computer stand: Ist nicht erschienen! Das tut mir wirklich leid, dann kommen Sie gleich mit mir mit."
Na klasse, dachte ich so bei mir, wenn mich Frau Doktor II. auch hier vergisst, dann sitze ich noch bis zum Sanktnimmerleinstag. Und vermutlich könnte ich dann nicht mal mehr aufstehen, um mich zu beschweren, weil Freund Schmerz mich inzwischen kreuzlahm gemacht hätte...
Alles Spinnisieren verflüchtigte sich, nach weiteren zehn Minuten wurde ich ins Behandlungszimmer gebeten, begutachtete ehrfürchtig die langen dünnen Nadeln und auch das Poster mit tausenden, ach was, Millionen von Punkten, die man alle im Körper bestechen kann. Mein lieber Schwan. Sogar im Schambereich gibt es einige.
Wow, dachte ich, noch vor zehn Minuten glaubte ich, ich käme zur Schädel-Akupunktur. Oder gabs da was, das ich noch nicht wusste? Ein zweites Hirn in der Mitte des Körpers? Da bekam ja der Spruch "Männer denken immer nur mit ihrem Penis" eine neue Bedeutung ;-)
Da flog die Tür auf, mit fliegendem Kittel betrat die Ärztin den Raum und während sie mich noch über alles Wissenswerte informierte ("Wenn wir die richtigen Punkte treffen, werden Sie sofort etwas spüren. Ob besser oder schlechter, aber Sie werden es sofort spüren. Nur wie lange das anhält, das ist individuell."), drückte sie sämtliche Punkte am Hals und auf den Schultern ab und bei jedem Zucken, das ich unwillkürlich veranstaltete, suchte sie den dazu passenden Punkt an der Stirn bzw. auf dem Scheitel und stach gnadenlos zu, nur um dann wieder die Muskelpunkte an Hals und Schulter erneut abzutasten: "Tuts jetzt weniger weh?"
Nein, das war nicht weniger geworden. Doch der Schmerz im linken Unterbauch, der Schmerz in der linken Hüfte - der hatte fast sofort nachgelassen. So sehr nachgelassen, dass ich spontan wieder vernünftig sitzen konnte, ohne schmerzverzerrtes Gesicht, ohne ein langsames Pusten, um den Schmerz wegzuatmen.
"Ist ja geil", entfuhr es mir und die Ärztin lächelte.
"Sie stehen mächtig unter Druck, nicht wahr?" fragte sie und schaute mich an. "Ihre Belastung scheint enorm zu sein."
Daraufhin schaute ich sie an und reagierte nicht sofort. Das sind so Momente... Wo ich das Gefühl habe, jemand versteht mich, noch bevor ich nur ein einziges Wort gesprochen habe - und diese Form des Verständnisses kann schon mal von einem Augenblick auf den anderen den ganzen Jammer hochkommen lassen, das auch gerne mal in Selbstmitleid ausufert. Das wollte ich nicht zulassen. Nicht hier und nicht jetzt.
"Ich setze heut nur wenige Nadeln, ich will bei Ihnen ganz vorsichtig sein", meinte sie abschließend, bevor sie die letzte Nadel in die Haut stach und ich mich für eine halbe Stunde auf der Liege ausbreiten durfte.
Auf den mitgebrachten iPod verzichtete ich in dieser halben Stunde, vielmehr konzentrierte ich mich nur auf mich selbst:
"Ich bin gaaaaanz ruhig... mein linker Arm ist gaaaaaaanz schwer... Mein rechter Arm... Ach Mensch, ich muss ja noch einkaufen, Butter darf ich nicht vergessen... Moment... bei welchem Arm war ich grad?"

Fazit:
Der Schmerz ist längst zurückgekehrt, noch auf dieser Pritsche, und doch bin ich nachhaltig begeistert von der Spontanreaktion meines Körpers. Ist er also doch noch nicht abgestumpft, da lebt noch was, da reagiert noch was ;-)
Nächste Woche gehe ich wieder hin, vielleicht bekomm ich dann ein paar Nadeln mehr. Und irgendwann, so sagte sie mir, gibts auch Dauernadeln. Wie das funktioniert, erklärt sie mir noch und angenehm ist das sicherlich nicht. Immerhin spüre ich noch jetzt die Nadeln, die sie mir auf den Scheitel gesetzt hatte. Aber noch habe ich auch gesunde Zähne, die ich zusammen beißen kann. Alles im Dienste gegen den Schmerz. Irgendwie muss dem doch beizukommen sein. Um endlich so etwas wie Lebensqualität zurückzubekommen. Nach viereinhalb Jahren Schmerz ohne Pause... kann einem schon mal der Atem ausgehen. Oder?
Ich aber will... nach vorn. Ich will immer nur nach vorn. Und keinen einzigen Schritt zurück...

1 Kommentar:

pfalzmaedel hat gesagt…

Halten Sie durch........
bei mir wurde es nach einem 3/4 Jahr besser und Neuraltherapie ist bei chronischen Schmerzen auch sehr wirksam, war es jedenfalls bei mir.........ansonsten
ENTSPANNUNG EGAL WIE...

viele Grüße
sendet Pfalzmaedel