Freitag, 31. Juli 2009

Der Frosch Auf Der Herdplatte

Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll, aber... Ich glaube, ich hatte heut Abend das - philosophisch gesehen - beste Gespräch, das ich seit langem geführt habe.
Wahrscheinlich hatten die meisten Menschen heute zum Samstagabend den besten Sex ihres Lebens - ich hatte dafür ein Gespräch, das mir - nach einem gewissen Abstand - mindestens ebenso viel Befriedigung verschaffen konnte ;-)
Ein Gespräch, nach dem ich endlich so etwas wie Ruhe in mich zurückfließen spüre.
Eigentlich bin ich ja nun überhaupt kein Fan vom Telefonieren (und ich bin trotzdem eine Frau, ich meine, eine richtige Frau ;-)) und wenn ich auch die Annehmlichkeiten genieße, die heutzutage mit schnurlosem Telefon und Handy und was es da nicht alles gibt - so vernachlässige ich sie aber eben auch mal gern. Indem ich die Telefone auf stumm schalte, indem sie irgendwo in meiner Wohnung herumliegen lasse, nicht sehe, nicht höre - und einfach genieße, dass Ruhe ist. Ruhe abgesehen von der musikalischen Beschallung ;-)

Doch heut Abend, heut Abend habe ich beschlossen, die Telefone nicht auf stumm zu schalten. Und es klingelte in der Tat. Doch wirklich. Da gibt es immer noch Menschen, die ich mit meiner Phobie nicht verschreckt habe. Die es doch immer wieder versuchen, so ab und an :-) Und eines dieser Telefonate entwickelte sich über die üblichen Floskeln hinaus. Am Anfang noch die üblichen Späßchen: "Wie es mir geht? Du weißt doch, schlechten Menschen gehts immer gut." Um dann über das Skizzieren der einen wie den anderen Problematiken sich hineinzuvertiefen in die Dinge, um die sich unser Sein letztlich wirklich dreht.
An dieser Stelle möchte ich gerne unbedingt noch ein Zitat aus einem Buch über das Leben nach dem Tod - wenn es denn so sein solle - loswerden:

"Ich kam aus diesem NTE heraus und wusste eines ganz sicher, was ich mir seitdem immer wieder vor Augen führe: Die Liebe ist der innerste Kern unseres gesamten Seins, der Kern dessen, worum es im Leben wirklich geht."

Das Suchen und Finden nach dem Sinn unseres Lebens. Wie viele Generationen mag diese Frage wohl schon beschäftigt haben? Wie weit zurück müssen wir uns denken, wenn wir uns fragen, seit wann die Menschen nachts wach liegen, in den Sternenhimmel starren und sich fragen, wozu sie auf dieser Erde sind, wofür sie geboren und gemacht worden sind?
Worin steckt der Sinn, wenn wir unheilbar erkranken und sterben, bevor wir richtig begonnen haben zu leben?
Worin steckt der Sinn, wenn unsere Träume zerbrechen, der Traum von der Malerei, weil wir bei einem Unfall unser Augenlicht verloren haben?
Jedoch... Wenn wir unseren Blick abwenden von dem Schmerz, den wir über den Verlust des Augenlichts, des Partners, der Gesundheit empfinden, wenn wir ihn stattdessen richten auf die Möglichkeiten, die uns daneben noch bleiben? Wenn wir feststellen, dass die Träume nicht zerbrochen sind, sondern ein neues Gesicht bekommen haben?
Wie oft sagen wir: Ich kann nicht mehr! und meinen eigentlich... Ich will nicht mehr.
Und wenn wir nicht mehr wollen, warum tun wir dann?
Die Mama mit ihrem Kind, die das ganze Jahr vom Urlaub träumt und ihn doch nicht wahrnimmt, weil sich scheinbar nie die passende Möglichkeit ergibt.
Scheinbar...
Mag sein, dass der Papa keinen Tag frei genehmigt bekommt. Mag sein, dass andere Termine sich häufen. Doch wenn wir den Blick abschweifen lassen von den Dingen, die nicht möglich sind, und dafür betrachten, was an dieser Stelle machbar ist - dann ergeben sich so viele passende Möglichkeiten... Nur eben... mit einem anderen Gesicht.
Pläne... Ich habe niemals Pläne für mein Leben geschmiedet. Was in mir lebte, das war die Vorstellung von dem Leben, das ich führen wollte. Wie ich mir mein Nest zurechtbauen würde. Wie es aussehen würde, dieses kleine Wohlfühlnest aus Wärme und Behaglichkeit. Ja - auch trotz all der Dinge, die zur Zeit überall herumstehen oder liegen. Hier ein aufgeschlagenes Buch, dort die Jacke, die wie vergessen über der Lehne liegt. Auf dem Stuhl einige Schreiben, unerledigte Post. Auf dem anderen Stuhl die Einkaufstasche aus Seegras. Auf der Kommode ein kleiner Stapel CDs. Daneben die Figur aus Fettstein, ein Liebespaar, das sich sehnsüchtig zueinander neigt ("Nimm sie in die Hand, wann immer du an ihr vorübergehst. Und alles wird gut werden", hatte mir die Freundin einst gesagt.) Und der Teller mit dem Obst.
Ist es wirklich so zerrissen, so chaotisch, wie ich es selber noch heute Morgen empfand? Oder ist es nur... eine Anhäufung der Gedanken, die mich seit einiger Zeit bewegen?
Das Buch über die unerfüllte Liebe einer Frau, die weiß, dass sie niemals den wahren Platz an der Seite ihres Liebsten bekommen kann, wie sehr sie auch darum kämpft.
Die Jacke für die Wärme, die ich vermisse.
Die Schreiben vom Finanzamt, Ihr wisst schon - das muss ich nicht ständig im Blickfeld haben, aber vergessen darf ich es auch nicht. Also nicht auf den Tisch, sondern auf den Stuhl legen ;-)
Die Einkaufstasche aus Seegras, die mich an den Urlaub am geliebten Meer erinnert, als ich sie dort erwarb.
Die CDs... die Musik, die mich jeden Tag, jede Nacht begleitet und ohne die ich verloren wäre wie eine Sonnenblume ohne Licht...
Das Liebespaar, der Kuss, den sie sich schenken. Die Nähe, die Zuwendung, nach der mich so sehnt.
Der Teller mit dem Obst: nicht weniger essen. Sondern bewusster...
Also wirklich alles so chaotisch, wie es auf den ersten Blick wirkt? Oder... einfach nur eine Anreihung unendlich vieler Gedanken, die alle auf einmal Platz in meinem Kopf, in meinem Bauch finden? Mich zur selben Zeit beschäftigen? Beschäftigen müssen...

Was ich sagen will.... Viel zu oft sind die Dinge anders, als es auf den ersten Blick scheinen mag.
Sofern wir uns die Mühe für den zweiten Blick geben. Versuchen, uns auf das Positive an dem auf den ersten Blick scheinbar Negativen zu konzentrieren.
Ich glaube daran, dass man das erlernen kann. Dass man lernen kann, den Blick wegzurichten. Die Aufmerksamkeit wegzulenken von den Dingen, die uns nicht gut tun, mit denen wir uns nicht wohlfühlen.
Das versuche ich ja auch immer wieder mit Freund Schmerz - und wenn er nicht willig ist, dann werde ich es jetzt doch einmal mit Hypnose versuchen. Ein Weg findet sich immer, man muss eben nur den Mut finden, ihn auch zu gehen - und gerade ich selbst weiß, wie schwierig das werden kann.
Gerade in den vergangenen Jahren habe ich soviel über mich selbst gelernt, über mich erfahren, wie ich funktioniere, was ich brauche, was mich glücklich macht und was an mir zehrt. Die schwierigsten Jahre, die schwierigsten Momente waren wohl die wichtigsten. Weil ich gerade in dieser Zeit lernte, wer ich wirklich bin. Ich brauche es nicht, andere Menschen verbal zu zerstören, nur um mich selbst besser zu fühlen.
Ich brauche es nicht, überall und an jeder Stelle die erste zu sein.
Ich freue mich über jedes noch so kleine Geschenk - doch wirklich reich fühle ich mich, wenn ich etwas von mir geben kann.
Ich weiß, ich kann allein leben. Ich weiß, ich kann allein bestehen. Aber ich weiß auch, dass es nicht das ist, was mich glücklich macht. Dass es nicht das ist, was ich will. Heimkommen, den Duft von Familie, Geborgenheit schmecken, den Halt, den Rückhalt.
Du bist nicht allein - ich bin bei dir, komm, lehn dich an.
Wie lange können wir warten?
Wie lange können wir kompensieren?
Wo endet der Kompromiss, wo beginnt das Verbiegen, das Stillhalten?
Wie lange dauert es, bis wir uns an die Dinge gewöhnen, die wir so eigentlich nicht wollten?
Ab wann wird die Gewohnheit gefährlich? Wenn wir für unseren Partner zu einer Selbstverständlichkeit wurden? Zu einem Möbelstück, das immer da ist?

Und hier ein Zitat aus dem heutigen Telefonat:
"Wenn du einen Frosch in einen Topf setzt und heißes Wasser aufgießt, springt er heraus.
Wenn du einen Frosch in einen Topf setzt und kaltes Wasser aufgießt, beginnt er zu schwimmen.
Wenn du einen Frosch aber auf die Herdplatte setzt und diese langsam erwärmst, springt er nicht weg und beginnt auch nicht zu schwimmen. Aber wird er springen? Wird er wissen, wann der rechte Moment ist, um zu springen?"
Die schleichenden Prozesse, die wir oftmals gar nicht bemerken und die den eigentlichen Tod für Liebe, Nähe, Zuwendung, Erfüllung der Träume, Sehnsüchte bilden. Ein Sterben auf Raten, das wir nicht gleich bemerken, weil wir uns von einem wunderschönen Moment zum nächsten hangeln und uns in der Aneinanderreihung der wunderschönen Momente sagen, dass wir uns glücklich fühlen. Und was ist mit dem Dazwischen? Der Raum für das Dazwischen, am Anfang vielleicht noch recht klein, doch stetig wächst er. Langsam, aber stetig. Ob wir es bemerken? Wann werden wir es bemerken? Und werden wir springen? Werden wir den rechten Moment zum Springen finden oder langsam einschlafen, langsam auf der Herdplatte verenden? Weil wir uns an die Gegebenheiten gewöhnten und uns diesem Zustand ergaben?

Wollen wir das?
Will ich das?
Nein. Nein, ich will weg von dieser Herdplatte. Ich will schwimmen in diesem Wasser, mich laben an dem kühlen Nass. Eintauchen, auftauchen. Mir Flügel wachsen lassen. Aufsteigen. Das Oben und das Unten erkunden. Meinen Platz irgendwo dazwischen finden.
Grundgütiger, ich habe doch noch Träume, ich habe doch noch Sehnsüchte. Wünsche, Vorstellungen.
Und heute Abend - schon während dieses Telefonates - spürte ich sie wieder: diese Energie, diese Kraft in mir, die mich treibt. Die mich schon immer getrieben hat, bewusst und unbewusst. Was für ein wundervolles Gefühl in mir. Was für ein wundervoll starkes Gefühl in mir. Mich so kraftvoll und zugleich so feminin weich und nachgiebig fühlen zu können.

Helma, go for it. Spring! Aber tus verdammt noch mal auch.

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